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Vincent Hunink
M. Billerbeck, Chr. Zubler, Das Lob der Fliege von Lukian bis L.B. Alberti. Gattungsgeschichte, Texte, Übersetzungen und Kommentar (Sapheneia, Beiträge zur Klassischen Philologie, 5). Bern, Peter Lang, 2000. [VIII], 264 p. Pr. SFR 69,--. text published in: Mnemosyne 55, 2002, 611-3 Paradoxe
Themen sind in der antiken Rhetorik, vor allem in ihrer schulmässigen Form,
immer beliebt gewesen. Leider wurden die erhaltenen Textbeispiele früher nicht
sonderlich ernst genommen oder gar unter offener Missbilligung ignoriert. Die
Zeiten haben sich jedoch allmählich geändert und so können wir jetzt in einem
schönen Buch alles zum lustigen Thema `Lob der Fliege' lesen. Vielleicht wäre
das noch zum `Lob der Insekten' zu erweitern, denn nicht nur die Fliege, sondern
auch der Floh, die Laus und die Wanze sind des Lobes würdig erachtet worden. Das
Buch, ein Ergebnis einer engen Zusammenarbeit einiger schweizer Forscher und
Studenten aus Fribourg, stellt einen antiken, griechischen Text in den
Mittelpunkt: [1] das `Lob der Fliege' (muias enkoomion) von Lukian. Von
diesem `Kabinettstück voller Anmut und Witz' (S.30) enthält die Ausgabe einen
neuen griechischen Text, teils auf Grund frisch kollationierter Handschriften
(Vat.gr. 90; Vat.gr. 1324; Laur.conv.soppr. 77; Marc.gr. 840; sowie der
ed.princ. aus 1496), samt deutscher Übersetzung und einem ziemlich ausführlichen
Kommentar (42 S.). Lukians
Text hat, vielleicht unerwartet, ein beachtliches Nachleben gehabt, wie sich
anhand dieser Ausgabe leicht feststellen lässt. Die Herausgeber bieten den
Lesern auch [2] drei byzantische Enkomien von Michael Psellos (11. Jhdt), der
Reihenfolge nach auf den Floh, die Laus und die Wanzen (Or. 27-28-29), sowie [3]
eine lateinische Übersetzung der ersten zwei Enkomien von Leone Allacci (17.
Jht). Es folgen [4] ein `Fliegentadel' des Eugenios von Palermo (12. Jht) in
byzantinischen Zwölfsilbern; [5] eine relativ freie, lateinische Übersetzung
des lukianischen Fliegenlobes von Guarino da Verona (15. Jht); und,
schliesslich, [6] die `Musca' des Leon Battista Alberti (1404-1472), ein
ziemlich langer und ernster `Dialog' auf lateinisch zum alten Thema der Fliege,
die jetzt ein menschliches, ja, humanistisches Ideal verkörpert. Eine
klare Einleitung zum Gesamtthema, eine Bibliographie und drei Register vervollständigen
den Band, der somit ohne Zweifel eine Anregung zu weiteren Studien sein wird.
Man kann den Herausgebern sicherlich dankbar sein, nicht nur für das neue
Material, das sie darbieten, namentlich die lateinischen Übersetzungen [3] und
[5], sondern auch für die hilfreiche Erhellung eines bisher eher unbekannten
Bereiches der Lukianrezeption. Das
Buch weist allerdings auch einige Schwächen auf, die hier nicht unerwähnt
bleiben dürfen. Es lassen sich z.B. merkwürdige Schwankungen im Dargebotenen
feststellen. Lediglich Text [1] ist mit einem laufenden Kommentar versehen; die
Texte [2], [4] und [6] haben nur gelegentliche Fussnoten, während die Texte [3]
und [5] ganz ohne Erklärungen (und auch ohne deutsche Übersetzung) bleiben.
Der Umstand, dass Text [6] etwa vier Mal so lang ist als der Haupttext [1], ist
den Herausgebern zwar kaum zum Vorwurf zu machen, verstärkt jedoch den
Gesamteindruck der Unausgeglichenheit. Auch
die Einleitung lässt, trotz vielem Guten, einiges zu wünschen übrig. So
fehlen Angaben zur genauen Datierung und zur Autorschaft des lukianischen
Textes; man sollte zu solchen Grundfragen doch wenigstens einige kurze Hinweise
erwarten. Gänzlich ausser Betracht bleibt der lateinische Sophist Apuleius von
Madauros, dessen `Apologie' doch einiges erhält, was einer Erwähnung oder
Fussnote nicht unwert gewesen wäre (ich nenne hier nur z.B. das Lob der Armut,
Apol. 17-23, oder die Würdigung der Zahnpflege, Apol. 6-8), von seinen bunten
`Metamorphosen' und `Florida' ganz zu schweigen -- vielleicht jedoch ist hier
der Rezensent nicht völlig unvoreingenommen. Der Abschnitt, der von der Fliege
in der darstellenden Kunst handelt, ist an sich wünschenswert, scheint aber mit
zwei Seiten recht kurz ausgefallen. Leider enthält das Buch auch überhaupt
keine Bilder und nicht mal der Einband ist illustriert. Das
Fazit kann jedoch durchaus positiv sein. Das Lob der Fliege stellt ein
interessantes Stück Lukianrezeption vor und bietet den Lesern das wichtigste
Material zum Thema. Das zugängliche Buch wird vor allem auch erfahrenen
Studenten nützlich sein.
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