GLÜCKLICH
IST DIESER ORT!
1000 Graffiti aus Pompeji
Ausgewählt,
übersetzt und herausgegeben von Vincent Hunink
(Reclam Verlag)
Stuttgart 2011; zweite Ausgabe 2013;
dritte Ausgabe 2020;
zweite, erweiterte und durchgesehene Auflage, 2022
383 Seiten, ISBN
978-3150 1420 42; € 11,80
Im
Jahr 79 n.Chr. wurde die römische Stadt
Pompeii verschüttet nach einem Ausbruch des
Vulkans Vesuv. Viele Jahrhunderte später
entdeckten Forscher nicht nur die bekannten
Monumente, sondern auch Tausende von
Inschriften, meistens in derber,
volkstümlicher Sprache.
Ende
2007
publizierte ich eine Anthologie mit mehr als
1000 Graffiti (Lateinisch/Holländisch). Das
Buch enthielt weit mehr Texte als bis jetzt
üblich. Außerdfem wurde das
Material 'geographisch' organisiert, d.h. nach
Fundorte der Texte. Damit wurde den Lesern
eine völlig neue Sicht auf die alte Texte
geboten.
Es
freut mich, dass im März 2011
eine überarbeitete, deutsche Fassung im
Reclam Verlag publiziert worden ist. Einige
Beispiele mit lateinische Ausgaben finden sie
hier. Sehen Sie bitte auch weiter unten!
Der
Band ist betreut worden
von Dr. Peter Csajkas.
Im
September 2009 war ich zu Besuch beim Verlag in
Stuttgart. Ein zweites Besuch fand statt zur
Anlass der Publikation, im März 2011. Einige
Fotos von beiden Besuchen finden sie auf dieser
Seite.
FRAGMENTE
199
PACATVS
HIC CVM SVIS
MASIT POMPEIS
+ Pacatus / hat hier mit seinen Leuten / gewohnt
in Pompeii.
II,7 (Palästra; im westlichen Säulengang) | CIL
IV 8660
200
SI PVDOR
QVIS
+ Wenn es überhaupt noch / Ehrgefühl (gibt)...
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8701 | metrisch; vielleicht dichterische
Anspielung (auf Vergil, Bucolica 7,44 ‘si quis
pudor’)
Vincent Hunink (L) und dr. Peter
Csajkas (R) im Verlag (September 2009)
201
ANIMA EST ATSVETA
CAPERE SIBI DEBITA
(ET) DONARE SI MOREM FIR
MAS PROSPERA VOTA
VENVS SYNTROPHVS
AVGET
+ Die Seele pflegt / zu nehmen was ihr gebührt,
/ und zu geben. Wenn du stand-/haft bist (wird)
Venus Syntrophus / deine Wünsche / erfüllen.
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8711b
202
IVCVDVS
MALE CALA
+ Jucundus / bumst schlecht.
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8715b
203
III K(ALENDAS) MART(IAS) HIC SCR(IPSI)
+ Am 27. Februar habe ich dies geschrieben
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8729
204
PARIS VA
+ Tschüss Paris!
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8746
205
SV
Q VESVVIVS
+ Ich bin / Quintus Vesuvius.
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8754
206
ANTHVS
COSINI
DEST(I)L
ATOR
+ Anthus / des Cosinus, / dem's tropft
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8760
207
FLORONIVS
BINETAS MILES
LEG(IONIS) VII HIC
FVIT NEQVE
MVLIERES
SCIERVNT NISI
PAVCAE ET
SESERVNT
+ Floronius, / Fucker Soldat/ der siebten
Legion, war / hier und nur weinige / Frauen /
haben's gewusst / und die / haben's gespürt.
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8767 | unsicherer Text ('binetas' gelesen mit
Varone 2002, 66)
208
VADE
AGE NATE
VOCAS ZE
PIRIOS
+ Komm, / geh, mein Sohn, / ruf die West-/winde!
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8768 | metrisch; Dichterzitat (Vergil, Aeneis
4,223)
209
PITTACIVS
CVM
PRIMIGENIA
HIC
PRIMA SEQ
VERE
VOLV
MNIVS
+ Pittacius / mit / Primigenia / hier. / Prima
(auch). Schließ / dich an, / Volum-/nius!
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8769c
210
LIB(ERALIS) LIBERA
LIS
LIBERALIS
VENIMVS
+ Liberalis, Libera-/lis / Liberalis: / wir sind
gekommen.
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8781
211
NARCI
SVS NARCISVS
SITIEN(S) HAC NARCISVS
SITIENS HAC
+ Narcis-/sus, Narcissus, / (war) hier geil.
Narcissus / (war) hier geil
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8785
212
(IRRV)MATOR
VA (I)RRVMATO(R)
+ Maulficker / Tschüss Maulficker
II,7 (Palästra; im nördlichen Säulengang) | CIL
IV 8790a-b
das erste Exemplar in der
Frühlingssonne (März 2011)
PRESSESTIMMEN
"Geiles Latein
Zugegeben: Die literarischen Qualitäten
dieses Opus sind eher dürftig. Gleichwohl ist
der kompakte Band allemal beachtenswert. Vereint
er doch 1000 von Vincent Hunink ausgewählte,
übersetzte und herausgegebene Graffiti aus
Pompeji. Die durch die Asche des Vesuv-Ausbruchs
von 79 n.Chr. bewahrten Zeichen, Zoten und
Zitate zeigen, dass Latein eine höchst lebendige
Sprache war - mit sämtlichen Untiefen, wie sie
auch heute im Alltagsjargon zu finden sind, samt
des dazugehörigen Unterleibsvokabulars.
„Narcisus sitiens hac" (Narcissus war hier geil)
ist da noch eine nachgerade sittsame Äußerung:
Bushido hätte seine helle Freude gehabt. Die
Sammlung erscheint im ehrenwerten Reclam-Verlag
- ein schöner Beleg, dass man aufgehört hat, die
Zeit des Imperium Romanum vor allem unter
kriegerischen Aspekten zu betrachten. Auch wenn
sich mancher Mann bei Frauen wohl wie ein
Feldherr fühlte; „Suspirium puellarum
Traex" (Seufzer der Mädchen: der Thraker)
schrieb jemand an eine Wand."
Felix hic locus est", schrieb vor gut
2000 Jahren ein Sponti-Pompejaner auf eine
Hauswand seiner Heimatstadt. Freilich konnte der
das Glück des Ortes rühmende Bewohner nicht
ahnen, dass Pompeji im Jahr 79 durch einen
verheerenden Vesuvausbruch untergehen würde. Das
war zwar nicht erfreulich, belegte aber immerhin
die zeitlose Gültigkeit des lateinischen Bonmots
„Ars longa, vita brevis " (Ewig währt die Kunst,
kurz das Leben). Denn durch das erschüttgehen
der Stadt wurden Tausende von Graffiti
konserviert, um deren Haltbarkeit es ansonsten
nicht sehr gut bestellt gewesen wäre; Etwa 1000
mit Griffel, Tonscherbe, Nagel oder Messer
verfasste Sprüche versammelt der zweisprachige
Reclam-Band „ Glücklich ist dieser Ort! " Das
vom niederländischen Historiker Vincent Hunink
edierte Buch zeigt, dass antike
Graffiti-Künstler weit drastischere Texte verf
assten als ihre Nachfahren im Schmierergeiste.
Wir wollen an dieser Stelle aus Taktgefühl nicht
übersetzen, was „MALIM ME AMICI FELLENT QVAM
INMICI IRRVMENT" bedeutet. Nur so viel: Es
scheint, als sei Pompeji so verderbt gewesen,
dass die strafende Eruption nicht völlig
überraschend gekommen sein kann."
Hendrik Werner,
in der Weser Kurier, 12.05.2011
===
In Zukunft
wird man sich an die Dokumentationen und
Rekonstruktionen aus der Zeit der Ausgrabungen
halten müssen, um einen Eindruck zu gewinnen,
was Pompeji einst war. (...) Das gilt nicht
allein für die Wandmalereien an den Wohnhäusern,
es gilt auch für die etwa 10.000
Gelegenheitsinschriften, die sich an den
Fassaden von privaten und öffentlichen Gebäuden
fanden (...). Eine reiche Auswahl aus diesem
Bestand ist gerade in Reclams famoser
Universalbibliothek erschienen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung – Blog
===
Zu spontanen
Wandkritzeleien fühlte sich schon der antike
Mensch bemüssigt. Nirgendwo sonst spricht eine
Stadtbevölkerung über Jahrtausende hinweg so
direkt zu uns wie aus ihren Verwünschungen,
Bemerkungen und Spötteleien auf den
Häuserwänden. Die Ausgabe bietet (topographisch
geordnet) über 1000 Schriftzeugnisse jenes
pulsierenden Alltagslebens, das durch den großen
Vesuvausbruch ein jähes Ende fand. Helvetia Archaeologica
Höchst amüsant auch für Nicht-Lateiner!
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel
===
Auch ohne eine solche statistische
Basis ist die den
bekannten Bestand zu etwa 10% repräsentierende
Auswahl des vorliegenden
Reclam-Bändchens eine willkommene Grundlage
für den Kulturhistoriker zur
Beurteilung alltäglicher Gedanken, Antriebe
und Tätigkeiten der Stadtbewohner
im antiken Rom zur Zeit seiner höchsten Blüte
in der frühen Kaiserzeit. Dazu
bietet der Herausgeber wichtige
Hilfestellungen
(...)
Ich kenne wenige moderne
(Auswahl-)Editionen wichtiger
kulturhistorischer Texte, die ihr Material so
ausführlich und benutzer-bezogen
erschließen und kann nur staunen, dass das
sogar in einer Taschenbuchreihe
geschieht, die als besonders preiswert
konzipiert ist, wie die seit seit über
100 Jahren erfolgreiche Universalbibliothek
des Reclam Verlages.
(...)
Dass der Herausgeber Vincent Hunink
sich die große Mühe
gegeben hat, uns eine so vorbildliche Auswahl
alt-römischer Kritzeleien
vorzulegen, und dass er sich eigener
Interpretationen enthält, die uns somit
nicht den Forscherblick verstellen, sei ihm
besonders gedankt. Dem Verlag danke
ich, dass er eine Nachdruck dieses vor nun
fast 10 Jahren erstmals
veröffentlichten Bandes veranstaltet hat.